Samstag, 12. November 2016

Schlüsselszene

Es gibt da diese Szene in meiner Kindheit, an die ich mich gut erinnern kann. Ich erinnere mich an relativ wenige Dinge meiner Kindheit und wenn ich etwas so klar vor Augen habe, war es meistens verbunden mit starken Emotionen oder ich würde heute sagen, dass es so etwas wie eine Art Schlüsselszene gewesen sein musste und ich es deshalb noch jetzt so gut erinnern kann..


ich war etwa 12 oder 13 Jahre alt. Die meisten meiner Mitschüler waren bereits ein Jahr älter, weil ich schon mit fünf eingeschult worden war.
Ich hatte einen besten Freund damals, Jan, er war nochmal 2 Jahre jünger als ich und wir spielten leidenschaftlich gerne mit Playmobil.. auch in  dem Alter noch.. gleichzeitig begann ich mich langsam in Richtung Pubertät zu entwickeln oder nahm jedenfalls wahr, dass die Mädchen um mich herum voll dabei waren.. an diesem Tag ging ich nach Schulschluss mit zwei Mädchen meiner Klasse, die beide die Playmobilzeit schon lange hinter sich gelassen hatten, von der Bushaltestelle nach Hause. Mitten auf dem Weg kam Jan plötzlich hinter uns hergelaufen, der aus einem anderen Bus ausgestiegen war, und rief mir zu, dass ich warten sollte.

Ich ging auf ihn zu, bevor er uns erreicht hatte und fing ihn ab und sagte ihm, dass er mich bitte nicht mehr vor den anderen Mädchen ansprechen solle.


- Jahrelang schämte ich mich wahnsinnig dafür und auch jetzt wird mir ganz anders, wenn ich an diesen Moment denke und Jans Gesicht vor mir sehe.
Ich - so hab ich das bewertet- hatte ihn irgendwie verraten, uns, das, was wir miteinander teilten und das, was ich ja mochte, gerne tat..was aber nicht dorthin passte, was mir plötzlich peinlich war, kindisch vorkam..dieser Teil von mir hatte nichts zu suchen dort und ich konnte nicht anders als ihn verleugnen.
naja, könnte man meinen, es war eben eine Übergangsphase, du warst ja mitten am Anfang der Pubertät, irgendwo zwischen Kind und Erwachsenem, zwischen Mädchen und Frau... ist doch normal.. Muss man ja nicht überbewerten. Muss man auch nicht. Schon gar nicht in Richtung moralisch darüber urteilen..

aber es ist etwas davon geblieben oder ich würde fast sagen, ein Lebensthema daraus geworden und es sorgt in meinem Leben immer wieder für ein grundsätzliches Unbehagen.

Heute träume ich mich manchmal in diese Kindheitsszene und dann bin ich mutig und stark und sicher, dass alles, was ich bin und auch das, was sich widerspricht, so genau sein darf und dann nehme ich Jan ganz selbstverständlich in unsere Mitte .. "..das ist mein Freund Jan..wir spielen total gerne Playmobil miteinander..wollt ihr mal mitmachen?"

und dann käme vielleicht Ablehnung, Oder sich-lustig-Machen.. oder aber auch Erleichterung: "Oh, endlich können wir auch mal wieder zugeben, dass wir auch noch ganz gern die alten Playmobilsachen rausholen, wenn es keiner sieht."- aber das wär eine andere Geschichte und sie hätte nichts mit mir und mit Jan zu tun..

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